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Logistik

Logistikcluster Region Basel und die letzte Meile

Das Cluster Forum 2021 des Logistikclusters Region Basel ging in diesem Jahr vor über 100 Teilnehmern und Gästen am Logistik-affinen Veranstaltungsort «Brasilea» im Basler Rheinhafen in Kleinhüningen über die Bühne. Der jährliche Treffpunkt der Logistikbranche in der Region Basel widmete sich dem Thema «Die letzte Meile - Königsdisziplin der Logistik.

Das Cluster-Forum legte den Fokus in diesem Jahr auf die Thematik des nicht erst seit der Corona-Krise stark bommenden Online-Handels im Business-to-consumer-Bereich und dessen Auswirkungen auf die Feinverteilung auf der letzten Meile.

Prof. Dr. Paul Wittenbrink, seit rund fünf Jahren Projektleiter des Logistikclusters Region Basel, führte wie gewohnt fachlich bestens beschlagen durch die Veranstaltung und moderierte souverän die abschliessende Diskussionsrunde. Assistiert wurde Wittenbrink von Andreas Maeder, der bei der Handelskammer beider Basel (HKBB) als Mitarbeiter im Bereich Cluster & Initiativen tätig ist.

Nach einer kurzen Begrüssungsrede durch Deborah Strub von der Handelskammer beider Basel, die neu als Vorsitzende des Logistikclusters der Region Basel verantwortlich zeichnet, richtete der baselstädtische Regierungsrat Kaspar Sutter sein Grusswort aus.

Beziehungen «enorm wichtig»

Als Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, erinnerte Sutter daran, dass sowohl die Schweiz als auch der Kanton Basel-Stadt als Grenzkanton ein «immens grosses Interesse» daran hätten, dass die Beziehungen mit der Europäischen Union, dem wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner der Schweiz, geregelt seien und dass diese sich weiterhin konstruktiv entwickeln können. Sutter sagte dazu: «Diese Beziehungen sind bekanntlich zur Zeit wegen des Abbruchs des Rahmenabkommens jedoch gestört.» Ziel sei es, dass die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU für die Zukunft geregelt und gesichert werde. Sutter weiter: «Diese Beziehungen sind nicht nur für uns als Export-Kanton von enormer Wichtigkeit, sondern auch für unsere ganze Grenzregion, in der wir im täglichen Austausch mit Deutschland und Frankreich stehen.»

Erster Gastredner am Cluster Forum 2021 war Georg Weinhofer, seines Zeichens Leiter Logistik, Service und Marktplatz (COO) der beiden Omni-Channel-Händler Interdiscount und Microspot, die beide zum Schweizer Detailhandels-Riesen Coop gehören. Der Elektronik-Fachhändler Interdiscount bietet seine Produkte stationär schweizweit in 180 Filialen sowie übers Internet an. Microspot agiert als reiner Online-Händler. Gemeinsam erwirtschaften die beiden Coop-Töchter einen Umsatz von 1,06 Milliarden Franken und beschäftigen 1800 Mitarbeitende, wobei rund 180 davon in der Logistik tätig sind.

Das Zentrallager befindet sich im bernischen Jegenstorf. Dieses besteht aus einem Shuttle-Lager für 20'000 Kleinartikel mit 65'000 Behältern und drei Lagern für 10'000 Grossartikel. Des Weiteren stehen 9000 Palettenstellplätze in einem Hochregallager für den Nachschub bereit. Ein Drittel der total 30'000 Artikel im Zentrallager sind Grossartikel wie Kühlschränke oder Flachbildschirme. Eine räumliche Trennung zwischen Online- und Offline-Geschäft existiert im Lager laut Weinhofer nicht.

Online sind bei Interdiscount rund 150'000 Artikel verfügbar, bei Microspot sind es sogar mehr als 520'000 verschiedene Artikel. Im Zentrallager in Jegenstorf haben jedoch nur 30'000 Artikel Platz. Weinhofer sagte, dass das verglichen mit Mitbewerbern zwar eine vergleichsweise kleine Kennzahl sei, aber: «Mit diesen 30'000 Artikel decken wir 80 Prozent aller Verkäufe auf Interdiscount und Microspot ab.»

Weinhofer: «Wir liefern die Ware dorthin, wo sie der Kunde wünscht.» Heisst mit anderen Worten: Der Kunde kann seine Ware in der Filiale selber kaufen, an mehr als 500 Abholpunkten in der Schweiz entgegennehmen oder sich seine Artikel nach Hause oder ins Büro schicken lassen.

Corona: Herausforderung und Chance

Die Corona-Krise habe natürlich auch Interdiscount/Microspot vor grosse Herausforderungen gestellt, so Weinhofer. Von einem auf den anderen Tag sei bei Interdiscount wegen des ersten Corona-Lockdowns 50 Prozent des Umsatzes weggebrochen, dies weil die 180 Filialen schliessen mussten.

Umgekehrt seien gleichzeitig die Online-Volumina förmlich explodiert: «Bei uns wurde im ersten Lockdown das Wochenpaket-Volumen zum Tages-Volumen, was einer Verfünffachung entspricht.» Das alles zwang Weinhofer und sein Team zu radikalen Veränderungen der Prozessabläufe: erstens musste eine wesentlich grössere Warenverfügbarkeit im Zentrallager her, zweitens war deutlich mehr Personal für die logistische Abwicklung gefragt sowie drittens mussten sofortige Prozessänderungen in Gang gesetzt werden.

Eine Konsequenz war, dass Mitarbeitende aus den geschlossenen Filialen neu in der Logistik eingesetzt wurden. Insgesamt wuchs so die Zahl der Logistik-Mitarbeitenden kurzfristig von 180 auf 300 an. Zusätzlich wurden in den Filialen Platz und Ressourcen für die Paket-Kommissionierung und den Paketversand eingerichtet. Für die Auslieferung auf der letzten Meile setzte Interdiscount/Microspot zudem auf zwei zusätzliche, neue Lieferdienste, um so die stark gestiegenen Paketvolumina bewältigen zu können.

Zwei Jahre übersprungen

Weinhofer: «Die schlimmsten Verzögerungen, die wir im ersten Lockdown hatten, waren Auslieferungen mit zwei Tagen Verspätung.» Corona sei aber auch eine Chance gewesen, denn sowohl auf Konzernebene als auch bei den Formaten habe man seit langer Zeit geplante Abläufe und Projekte in kürzester Zeit angepackt und im Nu umgesetzt.

Die Covid-19-Pandemie habe auch im Online-Handel von Interdiscount/Microspot deutliche Spuren hinterlassen, so der aus Österreich stammende Logistik-Chef. Weinhofer: «Der E-Commerce hat bei uns wegen Corona mengenmässig zwei Jahre übersprungen.»

Zu den grossen (logistischen) Herausforderungen zählt Weinhofer den immer späteren Bestellschluss für die Lieferung am nächsten Tag sowie die «Same Day Delivery», also die Zustellung noch am Tag der Bestellung. Wer bis 20 Uhr im Internet bei Interdiscount bestellt, erhält seine Ware am nächsten Tag oder ab 14 Uhr in einer der Filialen. Gegen 21 Uhr sind die letzten Bestellungen kommissioniert, eine halbe Stunde später wird das Paket von der Schweizerischen Post übernommen. Bei Abholbestellungen werden die Artikel frühmorgens ab 5.30 Uhr zu den Filialen transportiert.

Taggleiche Zustellung

Microspot.ch bietet ebenfalls eine taggleiche Zustellung an. Kunden, welche die Abholung «Speed» im Online-Shop wählen und bis 12 Uhr bestellen, können ihre Sendung ab 17 Uhr an den Pick-up-Standorten in elf grossen Schweizer Städten abholen oder nach Hause geliefert bekommen.

Weinhofer: «Wir sind schnell und nahe beim Kunden, und das in vielerlei Hinsicht. Wir kommissionieren nach 20 Uhr die letzten Online-Bestellungen, verpacken diese und geben diese den Paketdienstleistern noch mit für die Zustellung am nächsten Werktag.»

Nicht zuletzt wegen des begrenzten Zugangs in die Innenstädte setzt Interdiscount/Microspot bei der Zustellung auf der letzten Meile in die (Schweizer) Städte vermehrt auf Fahrrad-Kuriere wie beispielsweise Notime oder Metropol Kurier GmbH.

Podiumsdiskussion

Martin Posset, der zweite Gast-Referent, informierte als Chief Innovation Officer des «Thinkport Vienna» über urbane Logistik-Aspekte in Wien. An der abschliessenden Podiumsdiskussion debattierten Experten über City-Logistik-Themen und die letzte Meile in der Logistik. An der Gesprächsrunde, die von Paul Wittenbrink moderiert wurde, beteiligten sich Lisa Kurz (Projektmanagerin Smart City/Intercity Logistik Cago sous terrain AG), Andreas Hollenstein (Leiter Infrastruktur und Umwelt bei der Camion Transport AG), Jérôme Thiriet (CEO Kurier Zentrale GmbH) und Marc Frank (Strategy & Innovation Director bei der DPD (Schweiz) AG.