Im ILS-Roundtable-Gespräch zum Thema «Wie sieht das Warenlager der Zukunft aus?» äussert sich Peter Spycher zu den aktuellen Herausforderungen in der Intralogistik.
Peter Spycher, welche Vorteile sehen Sie in der Entwicklung der Digitalisierung von Warenlagern? Und welchen Einfluss hat diese auf die Effizienz in der Abwicklung von Warenlieferungen oder beim Personalbedarf?
Die Digitalisierung hilft gerade auch beim Personalbedarf, denn die ganze Technik wird intelligenter, und damit weiss ich sofort, wo Engpässe oder Probleme entstehen könnten. Damit werden Fehler schneller eliminiert, und die Anlage hat eine höhere Verfügbarkeit.
Auf der anderen Seite hilft es auch, die Waren entsprechend besser zu platzieren, wenn ich automatisch die Dimensionen und die Gewichte kenne. So kann ich neue Prozesse gestalten, die mir helfen, das Warenlager effizient zu betreiben und auch den Kunden die Ware bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen.
Welche innovativen Technologien werden bereits standardmässig beim Neubau eines Warenlagers umgesetzt? Welche sind nicht mehr wegzudenken?
Wir setzen gerade beim Neubau eines Lagers bereits innovative Techniken ein, so dass wir zum Beispiel vor der Installation eine Logistiksystems virtuell durch das Lager und somit durch das System gehen können. Wir zeigen dem Kunden wie das Lager aussieht, bevor es gebaut wird.
So werden im Vorfeld die Prozesse gemeinsam verbessert. Wenn das Lager dann realisiert wird, werden in der IT und in der Steuerung die modernsten Komponenten eingesetzt. Die Digitalisierung hilft uns dabei. Es geht auch um die Wartung und Fehleranfälligkeit der Systeme. Mit der Digitalisierung setzt man heute Systeme ein, die Fehler proaktiv erkennen, so dass man agieren und nicht mehr nur reagieren kann.
Kommt man trotz innovativer Technologien und des Einflusses der Digitalisierung hier irgendwann an eine Kapazitätsgrenze? Oder kann das Zukunftswarenlager den Bedarf des wachsenden Onlinehandels vollständig decken?
Die Kapazitätsgrenze sehe ich eigentlich mehr beim Menschen. Durch die Digitalisierung müssen wir aufpassen, dass wir die Mitarbeitenden nicht überfordern, sondern wir müssen sie abholen, mitnehmen und auch an die neuen Technologien gewöhnen.
Die Problematik, die wir heute haben, ist, dass der Trend sehr schnell ist. Da müssen wir unser Augenmerk darauf richten, dass wir die Leute unterwegs nicht verlieren. Zukunftswarenlager, zunehmender Onlinehandel – wie wird der Online-Handel in Zukunft sein? Das weiss heute niemand.
Wo sehen Sie bestimmte Trends, oder wo geht es hin in der Intralogistik?
Das ist jetzt unsere Sicht, denn wir sind da sozusagen «Dinosaurier». Also wenn ich meinen Sohn frage, sieht er das komplett anders. Es ist nun mal so, wenn der Markt Bedürfnisse schafft, gibt es auch Leute, die das abrufen werden. Und man gewöhnt sich daran. Was momentan passiert, ist, dass wir gemerkt haben, es funktioniert nicht mehr alles wie bisher. Also die Warenverfügbarkeit ist nicht mehr da, und wir haben momentan eine Entschleunigung der Gesellschaft. Wie lange diese anhalten wird, ist fraglich.
Wenn Sie sich das ideale Warenlager der Zukunft vorstellen, wie würde das konkret aussehen?
Die Lager müssen flexibel sein, weil eine sehr hohe Dynamik in der Wirtschaft herrscht und wir nicht wissen, wie sich das alles entwickelt. Die Kundenbedürfnisse ändern sich, dazu gibt es auch gesetzliche Restriktionen, die einen Einfluss haben.
Zum Beispiel wurden früher im medizinischen Bereich 100 Knochenschrauben für ein Spital bestellt und ab dem Spitallager auf die Stationen verteilt. Heute mit Tarmed muss jede Schraube einzeln bestellt werden, sodass eine Zuweisung und Kostenabrechnung auf den Patienten erfolgen kann.
Ist dies die ideale Zukunft, ein Warenlager ohne Menschen? Entstehen dadurch neue Berufsfelder? Und was geschieht mit den bestehenden Berufsbildern innerhalb der Logistikindustrie?
Als global tätiger Konzern verfolgen wir, was weltweit passiert, und haben auch Mitarbeitende, die sich ausschliesslich mit diesen Themen beschäftigen und uns dann die Informationen zur Verfügung stellen. Ich selbst als «Technikfreak» oder für Technik aufgeschlossener Mensch habe meine Bedenken, dass wir Lager ohne Menschen sehen werden.
Es gibt zwar heute schon solche Projekte, aber wir haben zahlreiche Techniker im Hintergrund, um die Anlagen am Leben zu halten. Ich sehe es immer noch als einen Vorteil an, dass der Mensch gewisse kognitive Fähigkeiten hat, die wir heute durch Technik noch nicht ersetzen können. Ich finde das auch gut und bin der Meinung, wir sollten so viel Technik einsetzen, wie es sinnvoll ist, und nicht alles, was möglich ist. Die Berufsbilder werden sich ändern.
Liegt die neue Fehlerquote nicht mehr beim Menschen, sondern in einer unzureichenden Instandhaltung der neuen digitalen Technologien und Prozesse?
Ich würde nicht von Fehlern sprechen, sondern davon, dass der Kreativität der Menschen keine Grenzen gesetzt sind. Wenn ich etwas entwickle und programmiere, wird es immer einen Schlaueren geben oder einen, der nicht genau weiss, was ich gemacht habe, und der das System anders bedienen wird, als ich das angedacht habe. Aus diesem Grund werden immer wieder Probleme in den Systemen auftreten. Die neuen digitalen Technologien sind anspruchsvoller und damit auch fehleranfälliger.
Wie sieht eine fachgerechte Instandhaltung der Zukunft aus? Welche Rolle spielt hier noch der Mensch?
Ich denke, die Zeit ist vorbei, wo wir einfach nur noch Leute hatten, die mit Muskelkraft die Systeme gerichtet haben. Mit einer grünen Logistik versuchen wir, möglichst viele gleiche Komponenten einzubauen und später fachgerecht bei der Entsorgung die Rohstoffe wiederzugewinnen. Und damit werden auch die Wartung und die Lagerhaltung der Ersatzteile einfacher sein.
Die Zukunft der Wartung ist sicher, dass ich eine Mechatroniker-Ausbildung habe und damit beide Bereiche – Mechanik und Elektrik – verstehe. Wenn dieser Mitarbeitende sehr gut ist, dann versteht er noch etwas von IT. Aber Menschen in dieser Dreier-Kombination zu finden, das wird schwierig. Mechatroniker ist der Berufszweig, der für die Instandhaltung benötigt wird.
Da nennen Sie ja bereits das Schwerpunktthema der «Logistics & Automation»: «The Future of Logistics». Wie sehen Sie die Zukunft der Intralogistik in der Schweiz? Wo sehen Sie mögliche Herausforderungen und Chancen?
Wir haben jetzt den Vorteil, dass die breite Bevölkerung erstmals verstanden hat, was Logistik bedeutet. Man merkte, dass Ware nicht immer verfügbar ist und diese irgendwie in den Laden kommen muss und es dazu viele verschiedene Komponenten braucht. Das hilft uns vielleicht in der Zukunft, die Mitarbeitenden zu finden, die wir benötigen.
Die Lager werden sich aber auch verändern. Das heisst, die Stapler werden intelligenter, wir werden mehr selbstfahrende Fahrzeuge sehen, und wir werden auch Roboter haben, die selbstfahrend sind. Heute muss die Ware noch zum Roboter gebracht werden, der stationär ist und die Aufträge abarbeitet. In Zukunft wird der Roboter dorthin fahren, wo die Arbeit ist.
Besten Dank für das Gespräch.