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Egal, was passiert: die Ware muss ans Ziel gelangen

Durch den Brexit sind lange Staus vorprogrammiert.
Messe München

Der Brexit ist von 4. bis 7. Juni eines der brennenden Themen auf der transport logistic in München. Speditionen, Hafen Rotterdam und 2680 Logistikprofis geben sich entspannt – und sorgen vor.

Logistiker in ganz Europa feilen an Plan B und Plan C: Während die Regierungen noch über die Ausgestaltung des Brexit verhandeln, haben viele Unternehmen längst Maßnahmen getroffen, um die Auswirkungen möglichst gering zu halten. Einfuhrzölle, Warenkontrollen, großer bürokratischer Aufwand und damit längere Laufzeiten und höhere Kosten – sollte der Güterstrom zwischen Großbritannien und dem Rest Europas ins Stocken geraten oder gar abreißen, wäre der wirtschaftliche Schaden immens. Dabei sind bedeutende Wirtschaftszweige wie Automobil- oder Lebensmittelbranche auf pünktliche und schnelle Lieferungen angewiesen. Trotz des drohenden Brexit-Chaos zeigen sich viele Logistik-Profis in einer aktuellen Umfrage unter 2680 Messeteilnehmern der transport logistic eher unaufgeregt: «38 Prozent der Befragten gaben an, dass sie auf alle Eventualitäten eingestellt sind. 50 Prozent sehen sich nicht unmittelbar betroffen und nur zwölf Prozent befürchten massive Beeinträchtigungen durch einen harten Brexit», sagt Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München. Dass die Briten sich wappnen, belegt auch das Transportbarometer von Timocom: Die Lkw-Transporte ins Vereinigte Königreich sind im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stark gestiegen. Die Statistik der Frachtenbörse zu Transportangebot und -nachfrage in Europa weist bei Transporten auf die Insel einen Zuwachs von 112 Prozent aus. Daneben plant rund jedes dritte britische Unternehmen, seine Geschäfte ins Ausland zu verlegen. Das ergab eine Umfrage des britischen Wirtschaftsverbands Institute of Directors (IOD) unter 1200 Firmenchefs im Januar 2019. Vor allem am Nadelöhr zwischen Calais und Dover, wo täglich über 11.000 LKWs verkehren, wird es im Falle eines ungeregelten Austritts zu Staus und Wartezeiten kommen. Auf dieses Szenario bereitet sich auch der Logistikdienstleister Dachser intensiv vor. In einem internen Projektteam setzen sich Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen mit dem Brexit auseinander, mit Fragen zur Verzollung über Mengensteuerung und Verkehrsführung bis hin zu IT-, Personal- und Kommunikationsthemen.

«Wir verfolgen die Entwicklungen sehr genau, stimmen uns zentral mit allen betroffenen Unternehmensbereichen ab und stehen im engen Kontakt mit unseren Kunden», sagt Steffen Wiese, Head of Sales European Logistics, North Central Europe bei Dachser. Das Unternehmen ist seit 1975 mit einer Landesgesellschaft in UK präsent und beschäftigt dort an vier Standorten knapp 450 Mitarbeiter. 2018 erwirtschaftete Dachser UK 105,4 Millionen Euro Brutto-Umsatz und transportierte rund 780.000 Sendungen mit einer Tonnage von rund 600.000 Tonnen.

Auch die Niederlande sind als logistische Drehscheibe und aufgrund ihrer eng verflochtenen Lieferketten mit Großbritannien stark betroffen. So gingen rund 8,8 Prozent der niederländischen Exporte laut Eurostat 2017 ins Vereinigte Königreich. Der größte Hafen Europas, der Hafen Rotterdam, bereitet sich intensiv auf den Brexit vor und hat hier bisher etwa 1,5 Millionen Euro investiert. Es wird erwartet, dass durch den Brexit rund 10.500 Schiffe pro Jahr zusätzlich kontrolliert werden müssten. Hierfür wären hunderte zusätzliche Mitarbeiter, unter anderen aus den Bereichen Zoll, Veterinärmedizin und Lebensmittelkontrolle, nötig. Daneben wurde in ein neues digitales Meldesystem investiert. Hier sollen Handelsfirmen, die mit Großbritannien Geschäfte machen, ihre Ladung anmelden. Betroffen sind nach Schätzungen der Hafengesellschaft rund 4200 Unternehmen.