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Intralogistik

«Unsere Systeme werden immer intelligenter»

Der Intralogistik-Spezialist TGW Logistics Group feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen in der Schweiz. Grund genug für die LOGISTIK, um sich mit den beiden aktiven Gründern von TGW Schweiz – Thomas Kretz und Beat Losenegger – zu unterhalten.

Interview: Robert Altermatt

Wie präsentiert sich die Firma TGW heute in der Schweiz, zehn Jahre nach ihrer Gründung?
Thomas Kretz: Wir sind heute einer der führenden Systemintegratoren in der Schweiz. Das bedeutet, dass wir als TGW über ein komplettes Portfolio an hochautomatisierten Logistik-Lösungen verfügen, angefangen bei der Beratung bis hin zur Abwicklung der Projekte. Nach dem Go-live haben wir die kompletten Lifetime-Aktivitäten für Service und Wartung. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass wir bei allen diesen Projekten einen hohen Eigenwertschöpfungsgrad haben. So haben wir beispielsweise bei unserem Projekt mit der Firma Thermoplan in Weggis einen Eigenwertschöpfungsgrad von 95 Prozent. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass bei unseren Projekten nahezu alles aus dem Hause TGW kommt.

Jetzt haben wir die vergangenen zehn Jahre kurz touchiert. Wo soll die Reise in den nächsten zehn Jahren hingehen?
Thomas Kretz: Wir verfolgen eine klare Strategie. Es gibt darüber hinaus eine Vision, die dahin geht, dass wir die Fulfillment Center noch stärker automatisieren, autarker und damit nahezu autonom machen. Die Schweiz bietet sich diesbezüglich als sehr guter Standort an, da die Landreserven bekanntlich knapp und die Lohnkosten hoch sind und weil es immer weniger Menschen gibt, die bereit sind, 24/7 in den Zentren zu arbeiten. Kurzum: Der Automatisierungsgrad wird durch verschiedene Einflussfaktoren nochmals gepusht. Unser Fokus ist ganz klar, autonome Sortierzentren zu entwickeln und zu errichten. Die Schweiz bietet sich deshalb an, weil die Kunden bereit sind, in neue Technologien zu investieren – wie etwa in Robotik und intelligente Intralogistik-Lösungen. In diesem Bereich ist die Innovationsbereitschaft sehr hoch.

Was sind die zentralen Meilensteine in der Entwicklung der Schweizer Landesgesellschaft von TGW?
Thomas Kretz: Herausragend war das Grossprojekt des Schweizer Detailhändlers Coop in Schafisheim. Das war im ersten Jahr nach der Gründung von TGW in der Schweiz. Wir haben damals als TGW ein sehr wettbewerbsfähiges und umfassendes Gesamtangebot ausgearbeitet, worauf wir den Auftrag schliesslich an Land ziehen konnten. Das war wirklich ein Leuchtturmprojekt, und es war damals für die TGW-Gruppe das grösste Projekt in der Unternehmensgeschichte. Dieses Leuchtturmprojekt hat uns auch ermöglicht, rasch unsere Serviceabteilung aufzubauen und zu erweitern. Denn Coop war es von Anfang an sehr wichtig, einen Lifetime Services-Partner in der Schweiz zu haben, also nicht nur einen Partner, der die Anlage realisiert und in Betrieb nimmt, sondern der Coop über zehn oder zwanzig Jahre in seiner täglichen Arbeit begleitet.

Wie hat sich die Situation für TGW Schweiz durch den Ausbruch der Corona-Pandemie verändert? Oder anders gefragt: Hat sich dadurch überhaupt
etwas verändert?

Thomas Kretz: Ja, es hat sich definitiv etwas verändert. Es gab einen grossen Schub seitens unserer Kunden. Diese mussten ihre Projekte noch schneller realisiert haben, weil die Kernmärkte, in denen wir uns bewegen, sehr stark Online- beziehungsweise E-Commerce-getrieben sind. Ich nenne hier als Beispiel Digitec Galaxus. Dieser führende Schweizer Online-Händler hat durch die Corona-Krise einen gros­sen Schritt nach vorne gemacht. Die Projekte, die in der Schweiz geplant waren, wollten die Unternehmen nun deutlich schneller realisieren, um die stark wachsenden Volumina auch tatsächlich bewältigen zu können. Insofern: Ja, die Corona-Situation hat uns definitiv zu mehr Business verholfen.

Was sind für TGW Schweiz die wichtigsten Ziele und Ideen für die Zukunft?
Thomas Kretz: Wir konnten im vergangenen Geschäftsjahr weitere grosse und innovative Projekte gewinnen. Das führt dazu, dass wir unsere Teams in der Schweiz mit den richtigen Kompetenzen weiter ausbauen, um auch diese Kunden langfristig über die nächsten Jahrzehnte begleiten zu können. Ein weiteres Ziel ist, dass wir unsere Servicedienstleistungen weiter forcieren, sodass wir nicht nur das klassische Ersatzteil-, Hotline- und Wartungsbusiness anbieten, sondern auch unterstützen, die Anlagen technisch zu betreiben. Insofern sind wir von TGW Schweiz auch damit beschäftigt, weitere Lifetime Services-Konzepte aufzubauen.

Welche Kunden setzen auf das Know-how von TGW Schweiz?
Thomas Kretz: Verschiedene Unternehmen der Coop-Gruppe wie beispielsweise Interdiscount und Bell. Digitec Galaxus und Migros Vaud aus der Migros-Gruppe, Thermoplan, OPO Oeschger, Meier Tobler, Möbel Pfister und viele weitere.

Beat Losenegger: Bei der Frage nach den Kunden möchte ich noch ergänzen, dass die jeweiligen Kunden unterschiedlichste Projekte verfolgen. Ein Kunde, der sich ein eingassiges Palettenlager oder ein Förderband von fünf Metern Länge wünscht – das ist nicht unser Fokus. Die Projekte, die wir ansprechen, sind von Kunden, die komplexe und hochautomatisierte Anlagen wollen.

In welchen Branchen ist TGW aktiv beziehungsweise in welchen Bereichen setzt das Unternehmen seine Schwerpunkte?
Thomas Kretz: In der Schweiz sind es klar die Handelsunternehmen im Allgemeinen und im Konsumgütersektor mit Kunden wie beispielsweise Interdiscount, Digitec und Möbel Pfister. Wir haben aktuell auch erste grössere Anfragen im Bereich Bekleidung und Fashion. Lebensmittel, Fashion und der Industrie- und Konsumgüterbereich sind die länderübergreifenden Kernbranchen der TGW-Gruppe.

Welche Bedeutung hat die Automatisierung in einem Hochlohn-Land wie der Schweiz? Stichwort Arbeitskräftemangel…
Thomas Kretz: Das ist tatsächlich immer mehr ein Thema. Einerseits steigen die Lohnkosten ziemlich stark, auch im Kommissionierbereich. Wenn man eine Payback-Berechnung durchführt – Total Cost of Ownership – kann man feststellen, dass sich Investitionen in hochautomatisierte Systeme relativ schnell auszahlen. Wir sprechen hier von Paybacks von drei bis sechs Jahren. Somit ist der hohe Automatisierungsgrad in der Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht gut darstellbar.

Was den Fachkräftemangel betrifft, so sehen wir den auch in unserer Branche. Service- oder Wartungstechniker, die für uns an unseren Anlagen arbeiten, sind aktuell schwierig verfügbar. Auch in den übrigen technischen Berufen für die Ausarbeitung komplexer Automatisierungsprojekte fehlen oft die Fachkräfte.

Beat Losenegger: Wichtig ist auch folgender Aspekt: Die hohe Automatisierung, die wir verfolgen, machen wir nicht, um Arbeitsplätze wegzurationalisieren, sondern sie steht im Zusammenhang mit dem Boom des Online-Handels und mit der Corona-Pandemie. Früher hat man eine Palette zu einem Verkaufsladen geschickt, die Endkunden waren damals quasi die Kommissionierer, welche die Ware ausgewählt, bezahlt und nach Hause getragen haben. Heute übernimmt eine Firma wie beispielsweise Digitec diese Tätigkeiten und schickt dem Endkunden ein fixfertiges Paket nach Hause. Konkret heisst das: Die ganze Arbeit, die ich als Kunde verrichtet habe, bis das Produkt in meinem Wohnzimmer ist, das macht heute der Lieferant. Genau für solche Arbeitsplätze findet man heute kein entsprechendes Personal. Das ist die Kehrseite.

Für uns ist es schon wichtig, dass man nicht einfach hingeht und alles automatisiert. Es geht vor allem um die zusätzlichen Arbeiten in den hochautomatisierten Lagern, die durch den stark wachsenden Online-Handel entstehen. Heutzutage wird automatisiert, weil es schlicht und einfach nicht genügend Leute gibt, unabhängig übrigens vom Lohn. Ich finde, dass das eine ganz wichtige Message ist. Privat habe ich diese Diskussion auch immer wieder, indem man uns vorwirft, dass wir mit der Automatisierung Arbeitsplätze wegrationalisieren. Ich entgegne dann jeweils mit einem klaren Nein. Wegen der Automatisierung haben wir in der Schweiz nicht mehr Arbeitslose.

Welche Bedeutung hat die Digitalisierung in Bezug auf die Intra­logistik, konkret etwa, wenn es darum geht, die Leistung einer Sortieranlage nachhaltig zu steigern?
Thomas Kretz: «Predictive maintenance» als Beispiel: Unsere Anlagen sagen uns, was ihnen fehlt und was sie als nächstes benötigen. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass die Anlagen von sich aus über die digitalen Systeme auf Wartungsintervalle hinweisen, zeitgerecht gewartet oder erneuert werden und somit die Verfügbarkeit erhöht werden kann.

Ausserdem haben wir auch verschiedenste Pick-Roboter-Lösungen und andere Systeme in den Logistik- und Sortierzentren, die stark auf der Digitalisierung aufgebaut sind. Nehmen wir das Beispiel unseres Pick-Roboters TGW Rovolution. Hierbei handelt es sich um ein selbstlernendes System; die Erfahrungen, die es bei jedem Pick macht, werden an die nächsten Systeme weitergegeben. Oder anders formuliert: Wenn im Kommissionierprozess dasselbe Produkt wiederkommt, lernt der Roboter vom letzten Mal, wie er die Ware gepickt hat, wie der richtige Angriffspunkt ist etc. Alle diese Daten werden gespeichert und im nächsten Prozess wiederverwendet.

Die TGW Digital Services Plattform ist die Schnittstelle zwischen den heterogenen Datenquellen eines Distributionszentrums und all ihren Nutzern. Die Plattform bereitet Informationen je nach Bedarf auf und ermöglicht dadurch, das volle Potenzial der vorhandenen Daten auszuschöpfen.

Dank der maschinellen Lern-Algorithmen ziehen wir völlig neue Erkenntnisse aus den gewonnenen Daten – so können wir beispielsweise den Service «digitaler Zwilling» nutzen, um Verbesserungspotenziale in der Auftragsstruktur des Kunden aufzudecken.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Thomas Kretz: Die Vielseitigkeit der Kunden und der Projekte. Ich bin jetzt schon seit dreissig Jahren in der Intralogistik tätig. Mein Fazit: Jeder Kunde ist wirklich anders, auch wenn man sich in derselben Branche bewegt. Was mich an meiner Arbeit enorm fasziniert: Dass jeder Kunde unterschiedliche Anforderungen hat. Es gibt meines Erachtens keinen interessanteren Job als die Intralogistik, um sehr tief in die einzelnen Branchen reinblicken zu können. Die Automatisierung an sich ist sehr faszinierend, spannend aber ist insbesondere, dass wir mit unserem innovativen Portfolio unsere Kunden aktiv in ihrer Zukunft begleiten können.

www.tgw-group.com