Im Gespräch mit Andreas König.
Andreas König, Sie sind in der Schweiz seit 42 Jahren in der Logistik tätig und konnten dabei bedeutende nationale Organisationen initiieren und mitaufbauen. War dies von Beginn an Ihr Plan?
Andreas König: Natürlich nicht, oft half der Zufall. Es gab keinen «Masterplan». Ich konnte offenbar Menschen von Ideen überzeugen, sie zusammenbringen und zum Mitmachen bewegen. Ohne Engagement von begeisterten Mitmachern wäre vieles nicht möglich gewesen.
Die Fähigkeit, andere Mitmenschen zu begeistern, so scheint es, ist Ihnen fast ein wenig in die Wiege gelegt worden...
Ich durfte bei den Pfadfindern früh bis auf Kantonsebene umfassende Führungs- und Projektaufgaben übernehmen und grössere Events organisieren. Bei den «Pfadi» lernt man, komplexe Projekte zu realisieren und Menschen zu motivieren. Dies prägte meine spätere Karriere enorm. Auch beruflich übernahm ich jung Führungsaufgaben.
Waren Sie beruflich schon immer in der Logistik-Branche tätig?
Ja, aber auch das war Zufall. Mit meinem Handelsdiplom stieg ich 1982 als Sachbearbeiter bei Kardex ein, das hätte auch bei einer Bank oder sonstwo sein können. Anschliessend sammelte ich internationale Speditionserfahrung beim IT-Unternehmen DEC. Und bereits im Alter von 25 übernahm ich als Leiter Informatik bei Planzer Transport erste Führungsverantwortung ausserhalb der «Pfadi».
Bei Planzer waren Sie zwar mitten in der Logistik-Branche, nicht aber in einer Logistik-Funktion tätig.
Genau, ich sammelte dort viel Prozesserfahrung in Transport- und Lagerlogistik. Aber ich merkte auch bald, dass mich mehr das Management der Logistik und weniger die Bits und Bytes interessierten. Ich bildete mich dann betriebswirtschaftlich sowie zum Master in Logistik weiter und übernahm beim Chemie- und Pharmaunternehmen Merck Schweiz die Verantwortung für die gesamte Supply Chain.
Meine «Angestellten»-Karriere rundete ich später als Logistik-Chef und Geschäftsleitungsmitglied bei den beiden Gastro-Grosshändlern Scana (heute Saviva) und Howeg (heute Transgourmet) ab. Diese Karriere war auch ohne akademischen Rucksack möglich. Ich erwähne dies deshalb gerne, weil mein eigener Werdegang unserem Nachwuchs zeigt, welche vielseitigen Berufschancen Logistik und Supply auch ohne Hochschulabschluss bieten.
Im Alter von 40 Jahren gründeten Sie die Personalberatung Logjob AG. Was war der Auslöser?
In der Mitte meines Berufslebens stellte sich mir die Frage: Einfach weiter wie bisher oder die Selbständigkeit wagen? Und wenn ja, womit? Nebenberuflich war ich für SGL/GS1 als Prüfungsexperte und in dessen Fachbeirat Bildung aktiv. Und beim BZ Limmattal baute ich den neuen Studiengang «Logistiktechniker HF» auf.
Mich interessierten immer mehr der Mensch, dessen Bildung und Werdegang und eher weniger die neueste Hochregallager-Steuerung, das innovativste Supply-Chain-Konzept oder das aktuelle Lkw-Modell. Nicht «die richtige Ware», sondern «der passende Mensch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort» fasziniert mich und wurde zu meinem Antrieb.
Gleichzeitig stellte ich bei der Rekrutierung meiner Kader und Spezialisten fest: Es existierten zwar viele Personalberatungen und Headhunter, aber kein Experte mit Know-how und Netzwerk in Logistik und Supply. Vor drei Jahren verkaufte ich das Unternehmen und bin dort noch Ehrenpräsident.
Was genau umfasst denn der Bereich «Supply»?
«Supply», zu Deutsch «Versorgen», umfasst neben den logistischen Kernaufgaben Lagerung und Transport sämtliche notwendigen Güterversorgungs-Segmente, also auch Einkauf, internationale Spedition, Verpackung sowie Entsorgung und Recycling.
Seit drei Jahren sind Sie Direktor der neuen Vereinigung «Swiss Supply». Wie kam es zur Gründung einer solchen Förderorganisation der Verbände?
Da muss ich ein wenig ausholen: Die Ursprünge von «Swiss Supply» liegen in der Gründung der «Swiss Supply Chain Hall of Fame» (SHOF). Vor etwa zehn Jahren gab es bereits nationale logistische Auszeichnungen mit Schwerpunkt auf Innovationen, wie zum Beispiel den «Swiss Logistics Award».
Mit meinem Personal-Fokus fehlte mir aber eine Würdigung, bei der Menschen und deren Lebenswerke im Mittelpunkt standen. Andere Länder kannten solche «Life-time-Awards» oder «Hall-of-Fames». Ich konnte einige Kollegen, Firmen und Organisationen für diese Idee begeistern. 2015 fand mit der Aufnahme von Alfred Escher und Hansheinrich Zweifel im Beisein von über 250 Gästen die erste von bis heute acht Galas mit bisher 19 Ehrenmitgliedern statt.
Dabei steht auch die aktive Nachwuchsförderung im Mittelpunkt, wenn jeweils die besten Diplomanden eingeladen werden. Die Gala ist bewusst für alle Interessierten offen, ohne ein elitärer «VIP-Event» zu sein.
An der zweiten Gala im Jahr 2016 wurde mit Alfred Waldis der Gründer und erste Direktor des Verkehrshauses postum in die Ehrenhalle aufgenommen. Dadurch entstand die Idee, die Logistikthemen im Verkehrshaus auszubauen. Dank dem Engagement von 80 Partnerfirmen und den relevanten Branchenverbänden konnte die neue Ausstellung «Logistik erleben!» geschaffen werden.
Diese war seit 2020 als Schwerpunktausstellung geöffnet und begeisterte trotz Corona-Pandemie mehr als eine Million Besucher! Abschliessend war es naheliegend, das Ausstellungsprojekt mit den beteiligten Verbänden weiter zu verfolgen sowie langfristig neue Ideen und Initiativen zu generieren. Die Zeit für den nationalen Schulterschluss war reif. Am 26. März 2021 war die Geburtsstunde von «Swiss Supply». Aktuell werden wir von 31 relevanten nationalen Verbänden und Institutionen unterstützt.
Was hat «Swiss Supply» seit deren Gründung vor drei Jahren bewirkt?
Unsere Schwerpunkte liegen in der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Nachwuchsförderung. Dazu gehört die Pflege und Aktualisierung der Logistik-Ausstellung im Verkehrshaus sowie die Mitorganisation der jährlichen Thementage. Online pflegen wir unsere umfassende Webseite www.swiss-supply.ch mit den Szenen-News der Verbände und Events inklusive der nationalen Agenda sowie das Karriere- und Bildungsportal www.swiss-supply.life.
Ergänzend dazu wurde eine neue Bildungsübersicht aller nationalen Diplomgänge als Print- und Digitalerzeugnis veröffentlicht. Wir präsentieren uns auch regelmässig auf Events und Messen, unter anderem als Mitorganisator der «Logistics Talks».
Wie sieht die Zukunft von «Swiss Supply» aus?
Seit einiger Zeit arbeiten wir am «Movement’32», der nationalen Bewegung zur Stärkung des Güterkreislaufes für die Schweiz. Noch vor fünf Jahren war ich ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn ich anhand der demographischen «Pilz-Pyramide» darauf hinwies, dass wir in den nächsten Jahrzehnten vor einem grossen Problem stehen werden. Es werden uns hunderttausende von Arbeitskräften fehlen.
In der Zwischenzeit ist das Thema angekommen und «trendy». Als unentbehrlicher Wirtschaftsbereich haben wir die Pflicht, den Arbeiter- und Fachkräftemangel aktiv anzugehen. Dazu müssen die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, sowohl von unseren wirtschaftlichen Marktteilnehmern als auch durch die öffentliche Hand, beispielsweise über «Public Private Partnerships». Ich hoffe sehr, dass «Movement’32» national getragen und spätestens nächstes Jahr nachhaltig abheben kann (> www.movement32.org).
Wie ist bei «Swiss Supply» die Finanzierung sichergestellt?
Unsere Grundaufwendungen seit 2021 waren bescheiden und betrugen pro Jahr circa 50'000 Franken. Dies war so nur möglich dank ehrenamtlicher Beiträge. Die Finanzierung erfolgt primär durch die grossen Bildungsverbände ASFL SVBL, Astag, GS1, procure.ch und Spedlogswiss, der Rest durch unsere weiteren Mitglieder. Für Grossprojekte wie das «Movement’32» müssen zusätzliche und neue Finanzierungen gefunden werden.
Es gibt in der Schweizer Logistik-Branche einzelne Stimmen, die «Swiss Supply» gegenüber kritisch eingestellt sind. Der Grundtenor dieser kritischen Voten lautet: eine weitere Organisation, bei der nicht klar ist, was sie effektiv bezwecken will und kann. Was geht Ihnen dabei durch den Kopf, wenn Sie so etwas hören?
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen aufzeigen, welche Ziele wir verfolgen, was wir tun und künftig geplant haben. Wir sind keine Dach-, sondern eine Support-Organisation. Unsere Kernanliegen, also die langfristige Bekämpfung des Arbeiter- und Fachkräftemangels sowie die Förderung unserer Berufe, können wir nur gemeinsam erfolgreich meistern.
Mit allen Playern der nationalen Güterversorgung – und nicht nur mit der Logistik-Branche. Mit «Swiss Supply» haben wir ein Netzwerk geschaffen, das es vorher so nicht gab. Mehr Austausch, mehr gemeinsam, mehr Synergien. Es liegt in den Händen unserer Mitmacher, das Beste daraus zu nutzen.
Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?
Sobald ich meine Aufgaben als Direktor bei «Swiss Supply» beendet habe, schliesse ich meine berufliche Laufbahn in der «Supply & Logistik» ab. Die Branche hat mir viel gegeben, und dafür bin ich sehr dankbar. Man soll nie «nie» sagen, aber ich denke, ich habe nun genug zurückgegeben. Gerade «Swiss Supply» und Projekte wie «Movement’32» sind langfristige Zukunftsaufgaben, die von den jungen Menschen, also unserem Nachwuchs, vorangetrieben werden sollten.
Ab sofort bin ich «Privatier» und freue mich darauf, mehr Zeit für persönliche Angelegenheiten, meine Familie, Kinder und Enkelkinder zu haben. Ausserdem plane ich, meine lange «Bucket List» abzuarbeiten. Gerne werde ich mich auch weiterhin für karitative Projekte engagieren. Aktuell bin ich zum Beispiel Beirat und Projektleiter für «A Million Dreams», eine junge gemeinnützige Organisation, die Menschen glücklich macht und Träume von benachteiligten Menschen in der Schweiz erfüllt. Eine für mich besonders schöne Herzensangelegenheit.