Über den Inhalt des Antrages lässt sich auf den ersten Blick eigentlich nicht streiten: Alle Nutzer sollen zu den Strassenverkehrskosten etwas beisteuern, auch Lieferwagen. Was aber stossend ist, dass eine Branche ohne Fakten und konkrete Hinweise für eine Ausweitung der Abgaben verantwortlich gemacht wird und andere davon ausgenommen werden sollen (Transport von Material oder Ausrüstung zur Berufsausübung).
Gleichzeitig wäre es doch fundamental zu wissen, wer noch davon betroffen sein wird. Es scheint aber einfach so, als ob der Ständerat den leichten Nutzfahrzeugverkehr für Baustellen etc. begrüsst, den Online-Handel aber für schlecht hält.
Faktencheck: «Online-Handel ist schuld»
Die Motion und die Voten im Rat begründen die Massnahme wie folgt: «Seit dem Jahr 2000 hat die Fahrleistung von Lieferwagen um 53 Prozent zugenommen, die Transportleistung hat sich aber nur um 14 Prozent gesteigert. Die Zunahme ist insbesondere auf das enorme Wachstum des Online-Handels zurückzuführen...».
Die konkreten Basiszahlen für den Check liefert das Bundesamt für Statistik (BFS): Die Kilometer-Leistung von leichten Nutzfahrzeugen unter 3,5 Tonnen hat von 2000 bis 2019 von drei Milliarden Kilometern auf 4,5 Milliarden Kilometer zugenommen. Wir behalten die Zahl von 4,5 Milliarden Kilometern im Kopf und fragen nun: Wie viele Kilometer haben die KEP-Dienstleister mit ihren Nutzfahrzeugen im Rekordjahr 2020 abgespult?
Eine Anfrage bei der Schweizer Post und beim Verband KEP & Mail (Private Zustelldienstleister) ergibt eine Gesamt-Kilometerleistung aller Fahrzeuge der Kategorie unter 3,5 Tonnen (ohne Elektroroller) von 114 Millionen Kilometern.
Ist der Online-Handel wirklich schuld?
Der gesamte KEP (Kurier-, Express und Paket)-Verkehr in der Schweiz hat also im Corona-Ausnahmejahr gerade mal 2,5 Prozent der gesamten Kilometer-Leistung der leichten Nutzfahrzeuge verursacht und soll dennoch am Wachstum von 53 Prozent oder 1,5 Milliarden Kilometer «schuld» sein. Eine Aussage und Begründung, welche keinem Faktencheck Stand hält und in der heutigen Zeit als «Fake News» bezeichnet werden muss.
Und wer fährt die übrigen 4,4 Milliarden Kilometer? Darüber lassen uns der Motionär, die Ständeräte und die zuständige Bundesrätin des UVEK (Post) im Unklaren, denn der Online-Handel ist aktuell an allem schuld. Die Rechnung werden aber andere bezahlen – auch Sie, liebe Online-Leserinnen und -Leser!