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Logistik

«Es geht darum, dass Nachhaltigkeitsziele erreicht werden»

«Es geht darum, dass Nachhaltigkeitsziele erreicht werden»
Bild: Lean & Green

Nachhaltigkeit und Grüne Logistik sind Themen, die auch in der Transport und Logistikbranche immer wichtiger werden. Die LOGISTIK hat sich unter anderem dazu sowie zur Logistik-Initiative «Lean & Green» mit Jan Eberle, der für diese Initiative in der Schweiz verantwortlich ist, unterhalten.

Im Gespräch mit Jan Eberle, der bei GS1 Switzerland die Funktion als «Head of Industry Engagement Transport and Logistics» innehat. Eberle ist ausserdem in der Schweiz für die europäische Logistik-Initiative «Lean & Green» zuständig.

 

Der Güterverkehr in der Schweiz ist für sechs Prozent der Treibhausgase in der Schweiz verantwortlich. Weshalb kommt die Dekarbonisierung des Güterverkehrs hierzulande nicht richtig vom Fleck?
Jan Eberle: Ich erlebe aktuell das Gegenteil. Unternehmen haben bereits früh damit begonnen, sich mit der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und daraus Massnahmen abzuleiten. Nun hat aber die Nachhaltigkeits-Thematik alle Ebenen wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht. Entsprechend tut sich sehr viel bei den Unternehmen.

Eine wichtige Initiative in Bezug auf eine grünere Logistik ist «Lean & Green». Kurz und knapp: Was genau steckt hinter diesem Konzept?
Die «Lean & Green»-Initiative steht für 100 Prozent Kollaboration und null Prozent Emissionen und ist eine Lösung für Unternehmen aller Grössen zur Erreichung der Netto-Null-Ziele gemäss des Pariser Klimaabkommens. Sie ist wirtschaftsfreundlich, massgeschneidert für die logistischen Prozesse aufgebaut und international anerkannt. Sie ist in 16 Ländern vertreten, über 600 Unternehmen nehmen daran teil.

Wie funktioniert «Lean & Green»?
Drei Begriffe stehen für diese Initiative: Erstens die Struktur in Form eines fünfstufigen Massnahmenplans, zweitens die Community als Plattform für Erfahrungsaustausch der Teilnehmer sowie drittens das Label für die Teilnehmer ihren Kunden gegenüber mittels Auszeichnung jedes Teilschrittes bis hin zum Erreichen des Netto-Null-Zieles.

Die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen ist eines der Hauptziele von «Lean & Green». Wie schafft man es, Unternehmen davon zu überzeugen, sich aktiv bei dieser Initiative zu beteiligen?
Ich glaube nicht, dass es darum geht, Unternehmen überzeugen zu müssen. Es geht vielmehr darum, dass Unternehmen wissen, dass es eine Initiative wie «Lean & Green» gibt, die Unternehmen zur Netto-Null Zielerreichung führt und sie so das Rad nicht neu erfinden müssen.

Wie setzt sich die «Lean & Green»-Community zusammen?
Die Community setzt sich aus drei Gruppen zusammen. Aktuell sind es acht Unternehmen, die Netto-Null-Ziele verfolgen. Darüber hinaus unterstützen unsere Solution-Partner mit ihrem Know-how die Teilnehmenden. Und zu guter Letzt gibt es noch Partnerschaften mit Verbänden oder Organisationen, die «Lean & Green» zusätzlich unterstützen.

Am 31. Mai dieses Jahres fand in Bern die «Lean & Green»-Verleihung statt. Welche Bedeutung hat die Verleihung und wer wurde ausgezeichnet?
Die Verleihung würdigt die Teilnehmer der «Lean & Green»-Initiative für die Erreichung jedes Teilzieles, sodass die Unternehmen auch nach aussen eine Bestätigung für ihre Umsetzung der Massnahmen erhalten. Dieses Jahr wurden Aldi Suisse (Award für die Erfüllung der Teilnahmebedingungen), Lidl Schweiz (3rd Star) sowie Schöni Transport (2nd Star) mit einem Preis gewürdigt.

Es gibt auch noch andere Initiativen wie beispielsweise «Science Based Targets» (SBT). Wie unterscheidet sich «Lean & Green» davon?
Es gibt diverse Unterschiede. Der Hauptunterschied ist, dass «Lean & Green» für die Logistik konzipiert ist. Darüber hinaus bezieht sich die Initiative auf die relativen Werte bei den Reduktionsmassnahmen. Im Gegensatz zu SBT, wo es um die absoluten Werte geht, werden die Unternehmen vor Herausforderungen gestellt, da das Wachstum des Unternehmens schwieriger darzustellen ist. Natürlich ist es schwierig, Wachstum mit absoluten Werten einzukalkulieren, da die Unternehmen in der Regel wachsen und es somit schwierig ist, die Reduktionsziele zu erreichen. Zudem ist mir keine weitere Initiative wie «Lean & Green» bekannt, wo eine Community gemeinsam an den Zielen arbeitet.

Die «Lean & Green»-Initiative ist kürzlich mit Swisscleantech – einer namhaften Organisation – eine Partnerschaft eingegangen. Welche Intention steckt dahinter?
Das gemeinsame Ziel ist es, Netto-Null mit Schweizer Unternehmen zu erreichen. Uns geht es um die Sache, dass die Nachhaltigkeitsziele erreicht werden und wir den Unternehmen die notwendige Unterstützung bieten können. Swisscleantech ist ein politischer Verband, welcher vor Kurzem eine Arbeitsgruppe namens «Grüne Logistik» gegründet hat. Diese harmoniert perfekt im Einklang mit «Lean & Green».

Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit aktuell in der Logistik in der Schweiz?
Obwohl die Logistik weiterhin vor grossen Herausforderungen wie Energiekosten, Fachkräftemangel und so weiter steht, spüre ich ein grosses Bedürfnis bei den Unternehmen, kurz- bis mittelfristig, Massnahmen für die Nachhaltigkeit umzusetzen.

Was sind die grössten Herausforderungen für Unternehmen bei der CO2-Reduktion?
Ich glaube, Unternehmen stellen sich grossen Herausforderungen, wenn sie damit beginnen, ihren Fussabdruck zu reduzieren. Es beginnt schon mal damit, dass es am Anfang schwierig ist, das richtige Datenmaterial zusammenzutragen, um überhaupt eine qualitativ vertretbare Null-Messung durchführen zu können. Dann ist die Umsetzung der geplanten Massnahmen in der Regel oft herausfordernd, da Unternehmen unter anderem von politischen Entscheiden – Stichwort Energieversorgung – abhängig sind. Gerade für KMUs kann sich das als sehr herausfordernd erweisen.

Warum ist Nachhaltigkeit in der Logistik per se wichtig?
Ganz einfach, weil Logistik keine Branche, sondern ein Sektor aller Branchen ist. Das heisst, sobald etwas - in der Regel Waren - bewegt wird, steht ein logistischer Prozess dahinter. Die Logistik macht entsprechend einen grossen Teil der Wirtschaft aus, und mit ihr kann somit eine grosse Hebelwirkung erzeugt werden.

Wie steht es um die Zukunft von «Lean & Green»?
Aktuell erhalten wir sehr viele Anfragen von Unternehmen, die bei «Lean & Green» teilnehmen möchten. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Teilnehmerzahlen in den kommenden Jahren rasant wachsen werden und für eine grössere Diversität in der Community sorgen wird. Dies wird wiederum neue Lösungsansätze mit sich bringen und die Gemeinschaft stärken. Mit der internationalen Organisation in den Niederlanden finden aktuell Diskussionen statt, wie sich die Initiative weiterent­wickeln könnte. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit vielen Schweizer Unternehmen gemeinsam die Netto-Null Ziele sogar noch vor 2050 erreichen werden.

Was ist nach 2050?
Sie meinen, ich soll einen Blick in die Glaskugel wagen? Na gut, ich gebe mein Bestes: Aus heutiger Sicht, wird die Reise auch nach 2050 weitergehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind wir in der Schweiz bis dann grösstenteils in der Logistik CO2-neutral, jedoch werden weitere Nachhaltigkeitsziele folgen. Das Treibhausgas ist leider nur ein Problem von vielen, und «Lean & Green» könnte sich dementsprechend gemäss den weiteren Themenschwerpunkten, die uns in Zukunft beschäftigen werden, weiterentwickeln.

Interview: Robert Altermatt