Dr. Peter Acél hiess am 23. April 2024 in Zürich Gäste und Referenten des 39. Zürcher Logistik-Kolloquium willkommen. In drei Vorträgen ging es um eine Stahlproduktion, die künftig statt auf Kohle auf Wasserstoff setzt und so zunehmend ohne CO2 auskommen soll. Ausserdem es ging um das Recycling von Werkzeugen sowie den Neuaufbau einer Lieferkette bei einem bekannten Sportgerätehersteller, nachdem dieser mehrfach Insolvenz anmelden musste.
Als ersten Redner präsentierte Dr. Peter Acél im Dozenten-Foyer der ETH Zürich Fabian Gerdes, Leiter der Outbound Logistik bei der Salzgitter Flachstahl GmbH. Gerdes startete auch sogleich die Kolloquiums-Vortragsreihe. Unter dem Titel «Logistics for Circular Solutions» referierte er über die Ziele, Stahl und Rohstoffe nachhaltig in Kreisläufen zu transportieren und den Beitrag der Stahlherstellung für das Erreichen der Klimaziele.
Wasserstoff statt Kohle
Nach einer kurzen Vorstellung des Salzgitter-Konzerns ging Gerdes auf die Massnahmen ein, die zur Treibhausgas-Neutralität führen sollen. Hierbei konzentrierte er sich auf eine im eigenen Konzern-Haus entwickelte Lösung. Dank des Konzepts «Salzgitter Low CO2-Steelmaking» (Salcos) soll mit dem so genannten «Carbon-Direct-Avoidance»-Verfahren (CDA) und der Verwendung von Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff als Reduktionsmittel nahezu CO2-frei Stahl produziert und bis 2033 über 95 Prozent des CO2-Ausstosses reduziert werden.
Die nächste Herausforderung liege darin, so Gerdes, die Produkte auch umweltschonend zu transportieren. Inbound sind jährlich rund 11,5 Millionen Tonnen Material, outbound circa 3,25 Millionen Tonnen mit der Eisenbahn (Anteil bei Salzgitter: 80 Prozent), mit Lkws (Anteil bei Salzgitter: 18 Prozent) oder mit Binnenschiffen (Anteil bei Salzgitter: zwei Prozent) unterwegs. Die Transportmenge nehme stetig zu, währenddessen die Infrastruktur in Deutschland (insbesondere auch die Schienen-Infrastruktur) stagniere oder teilweise vernachlässigt werde, sagte Gerdes weiter.
Die Salzgitter Flachstahl nahm daher das Heft selbst in die Hand und begann damit, nachhaltige und innovative Lösungen zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise auch das neue Zugprüfkonzept «Ontrail»: Dabei handelt es sich um eigens entwickelte Kamerabrücken, die auf dem riesigen Salzgitter-Firmenareal installiert wurden.
Diese erkennen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz an vorbeifahrenden Züge mit Salzgitter-Stahlprodukten, wie beschädigt die Abdeckungen (in der Regel Planen) der Güterwagen sind und ob die Ware trocken bei den Kunden ankommen kann. Des Weiteren entwickelte die Firma Salzgitter Flachstahl ein elektrisch angetriebenes Binnenschiff, das auch bei niedrigem Wasserstand noch fährt.
Gerdes erklärte, dass die Binnenschifffahrt - anders als etwa die Strasse und die Schiene - als Transportmittel noch grosse Kapazitätsreserven habe. Zuden zeichne sich diese dadurch aus, dass sie leise, pünktlich, staufrei und umweltfreundlich unterwegs sei.
Werkzeug-Wiederaufbereitung
Rico von Burg, Produkt-Manager bei der Fraisa SA, sprach im zweiten Referat des Abends über die Logistik zur Aufbereitung von bereits gebrauchten Werkzeugen zur Wiederverwendung – mit 100 Prozent Leistung. Fraisa ist ein international ausgerichtetes Schweizer Familienunternehmen, das Zerspanungswerkzeuge für die Metallbearbeitung produziert. Dank der Digitalisierung beim Aufbereitungsprozess ist es möglich, mit vollautomatisiertem «One Piece Flow» auf einzigartige Werkzeuggeometrien sowie spezifische Kundenwünsche einzugehen. Durch die Auffrischungen von gebrauchten Werkzeugen würden statt des Kaufs neuer Werkzeuge über 50 Prozent an CO2 eingespart, erklärte von Burg.
Viele Herausforderungen
Dr. Peter Rutishauser, Gründer der Equatis AG, schloss die Vortragsreihe mit seinen Erfahrungen beim europaweiten Aufbau der Lieferkette bei der Schweizer Grosshandelsfirma Trisport für Kettler Sportgeräte ab. Die einst renommierte Marke Kettler musste zwischen 2015 und 2019 insgesamt dreimal Insolvenz anmelden.. Nachdem die Firma Trisport als Schweizer Lizenznehmerin von Kettler Sportgeräte sich zusammen mit Rutishauser nach der ersten Insolvenz bereits auf eine neue Situation vorbereitet hatte, konnte sie nach der dritten Insolvenz schliesslich die Markenrechte von Kettler erwerben. Damit stand sie am Anfang vieler Herausforderungen. Das Portfolio musste ausgedünnt, die Mengenplanung angepasst und das Vertrauen in Kettler wieder aufgebaut werden. Ein unglaublich komplexes Unterfangen, wie Rutishauser minutiös darlegte.
Rutishauser erwähnte im Zusammenhang mit Trisport/Kettler Sportgeräte auch die massgebliche Unterstützung, die er von der Dr. Acél & Partner AG beim Aufbau der neuen europaweiten Lieferkette ab Fernost in nur sechs Wochen erhalten habe. Rutishauser erklärte ganz am Schluss mit Nachdruck, dass der Neuaufbau der Lieferkette bei Kettler Sportgeräte wohl kaum erfolgreich gewesen wäre, hätte er nicht auf sein während vielen Jahren entstandenes starkes persönliches Netzwerk inner- und ausserhalb des Unternehmens zurückgreifen können.
Nach einer abschliessenden Diskussionsrunde und einer - wie immer absolut treffenden und prägnanten und auf witzige Art und Weise gehaltenen Zusammenfassung durch Prof. Konrad Wegener - nutzten die Teilnehmenden die Gelegenheit zum Ideenaustausch und Networking.