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Logistik

Gute Logistikflächen? Nehme ich!

Gute Logistikflächen? Nehme ich!
Die Hälfte der Zeit herrscht auf Logistikflächen in der Schweiz Ruhe.
Bild: Dematic

Seit ein paar Monaten höre ich immer mehr: «Es ist schwierig, gute Logistikflächen zu finden». Damit sind sowohl Lagerflächen als auch reine Umschlags- und Drehscheibenflächen gemeint.

Wen wundert's wirklich?

Ja, wenn man von St. Gallen nach Genf oder von Basel nach Chiasso unterwegs ist, dann sind die grünen Abschnitte rar geworden. Wenn man nüchtern Geografie, Demografie und Trends wie den hin zum Online-Handel zusammenmixt und schüttelt, dann gibt es nur eines: Fast jede auch nur halbwegs ideale Gewerbe-Fläche entlang von A1 und A2 wäre heute aus strategischer Sicht zu sichern – ein Wertverlust ist fast ausgeschlossen.

Unglaublicher Luxus

Was nun folgt, werden einige als pauschale Provokation abtun: Unsere Logistikflächen stehen heute zu 50 Prozent und mehr still! Das gilt sicherlich nicht für alle, aber für viele. Aus reiner Zahlenoptik leisten wir uns also einen unglaublichen Luxus: Wir bauen zusätzlich Flächen zu, weil wir die bereits zur Verfügung stehenden Flächen nur zu 50 Prozent nutzen.

Natürlich fallen die anderen 50 Prozent der Zeit beziehungsweise der Nutzung aus gesellschaftlicher Sicht auf ungünstige Rahmenbedingungen: Es ist dunkel oder es ist Sonn- oder Feiertag.

Rein zahlenbasiert nutzen wir rund 50 Prozent der möglichen Kapazitäten von Flächen beziehungsweise Umschlag auf Flächen nicht, weil damit manuelle Tätigkeiten mit «ungünstigen Zeiten» (beispielsweise Samstag oder Schichtende um 24 Uhr) verbunden sind oder wir selbst Herr der Fläche sein wollen. Mit diesen Gegebenheiten konnten wir im vergangenen Jahrhundert gut leben. Geht dies aber auch noch in den nächsten 50 Jahren?

Was sind die Alternativen?

Somit müssen wir uns entscheiden: Wir bauen traditionell weitere Wiesen mit 50-Prozent-«Nutzungsgrad» entlang der Verkehrsadern zu, bis keine mehr übrig sind – oder aber wir fangen an, Undenkbares zu denken. Das heisst konkret: Verzicht auf zusätzliche Logistikflächen, vielleicht aber auch Verzicht auf Konsum, Umsatz, Arbeit etc. Was wäre aber, wenn wir anfangen, die bestehenden Flächen zu mehr als 50 Prozent zu nutzen?

Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist: Logistik-Kooperationen, Verdichtung der Ware mit automatisierten Kommissioniersystemen, den Samstag oder die eine oder andere Randstunde im Rahmen des Arbeitgesetzes konsequenter nutzen. Ja vielleicht gehört irgendwann auch die schwierige Diskussion über das generelle Nachtarbeitsverbot dazu, um Flächenausweitung infolge Peak-Akzentuierung zu verhindern.

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben wird kurzfristig bei vielen Online-Händlern zuerst eine noch höhere Automatisation und Verdichtung der Ware im Vordergrund stehen. Denn für Automation gibt es keine einschränkenden Gesetze und keine Feiertage.

Auch sehen wir immer mehr Kooperationsgedanken gedeihen, was uns sehr freut. Noch aber gibt es offenbar Flächenangebote zu finanzierbaren Preisen, was der Weg des geringsten Widerstands ist. Ich bin gespannt, wann der Wind bei uns richtig dreht und die Grenzkosten für mehr Fläche die Kooperations- und Automatisierungskosten übersteigen. Es dürfte keine zehn Jahre mehr dauern …