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Logistik

Smarte Kühlung für die letzte Meile in der Stadt

Smarte Kühlung für die letzte Meile in der Stadt
Der Stickstofftank bei Cryotrucks ist um 30 Prozent leichter als herkömmliche Stahltanks.
Bild: zVg

Emissions- und geräuscharme Innovationen sind die Kür im innerstädtischen Lieferverkehr. Während die meisten Transport-Kühlsysteme immer noch mit Diesel betrieben werden, ist die Branche schon seit Längerem mit CO2-reduzierten Lösungen befasst.

Unsere Logistiksysteme müssen in Zukunft sicher neu gedacht werden», sagt Professor Dr. Maike Scherrer. Sie befasst sich an der ZHAW School of Engineering mit dem Forschungs-Schwerpunkt «Nachhaltige Mobilität». «Wir haben eine zunehmende Bevölkerungsdichte in den Städten, und beim Güterverkehr ein steigendes Aufkommen in die Städte hinein».

Scherrer zufolge dürfte sich das Gütervolumen bis ins Jahr 2040 verdoppeln. Klar ist: Dem Energieverbrauch sind Grenzen gesetzt und auch Schall-Emissionen unerwünscht. Temperaturgeführte Transporte stehen deshalb vor besonderen Herausforderungen.

«Nachhaltigkeit ist zurzeit im Transportbereich ein grosses Thema», bestätigt Markus Brechbühl, bei der Calag Carrosserie in Langenthal zuständig für den Bereich Trailer und Kühlfahrzeuge. «Die Anforderungen sind natürlich sehr individuell. Sie müssen auf die Logistik eingestellt werden, damit unsere Kunden ihre Prozesse schnell verarbeiten können». Ausladen, einladen, damit die Ware weniger lange Standzeiten hat. Für Emmi wurde ein Kühlauflieger mit komplett autonomem Kühlsystem aufgebaut.

Rekuperation aus der Mittelachse

Die Energie für die Kühlung kommt von der Rekuperations-Achse und wird in einem Batterie-Paket gespeichert. Der Auflieger benötigt somit für den Betrieb des Kühlsystems keine Energie vom Zugfahrzeug mehr. Für grösstmögliche Flexibilität im Verteilerverkehr wurde gemeinsam mit dem Kunden Schwab Guillod ein Dolly-System entwickelt.

Der Anhänger mit dem Dolly lässt sich für die Verteilung in mittelstädtischen Regionen schnell zum Auflieger umbauen und an eine Sattelzug-Maschine ankoppeln. Dadurch steigt die Effizienz beim Ausliefern. Der Zeitverlust beim Umladen der Ware wird dadurch erheblich reduziert, und potenzielle Unterbrüche der Kühlkette werden verhindert.

Elektro-Kühlung

Heiko Tirok, Geschäftsführer von Fröhlich Transklima, weiss, dass die meisten Kunden inzwischen darum bemüht sind, «einen möglichst grünen Fussabdruck» zu hinterlassen. «Deshalb wechseln viele zu Elektro-Mobilität oder zu alternativen Antrieben».

Auch die Batteriespeicher müssen den Anforderungen standhalten. Neu-Entwicklungen wie die elektrische «E200»-Kältemaschine von Thermoking kommen dem entgegen. Sie kann nahtlos mit Elektro-Fahrzeugen betrieben werden, ist mit einem eigenen Energie-Management ausgestattet und ist auf Wunsch mit einem zusätzlichen Akku erhältlich.

Beim Fahrzeug selbst kommt es auf die jeweilige Anwendung an. Kastenwagen und Koffer-Aufbau haben jeweils ihre eigenen Vorteile. Natürlich kann nicht nach Belieben Zusatzausrüstung verbaut werden. Tirok: «Wir müssen die Massgaben der jeweiligen Fahrzeughersteller einhalten».

Flüssig-Stickstoff

Völlig auf Flüssig-Stickstoff eingestellt hat sich das Unternehmen Cryotrucks. Das Kühlsystem von Cryotrucks basiert auf Stickstoff, der zu 78 Prozent in der Atmosphäre enthalten ist. Luft wird in ihre Bestandteile zerlegt, und der Stickstoff zur Weiterverwendung verflüssigt. Das kostet zwar Energie, räumt Co-CEO Jean-Louis Schafer ein. Die kann aber aus Wasserkraft emissionsfrei bezogen werden. Der Stickstoff wird in flüssiger Form bei minus 195 Grad in Tanks mitgeführt und zur Erzeugung eines Kaltluftstroms im Laderaum genutzt.

Laut Hersteller werden bei häufigen Türöffnungen bei den  Auslieferstopps die gewünschten Kühlwerte mit einer Temperaturabsenkung von einem Grad Celsius pro Minute deutlich schneller wieder erreicht, als bei herkömmlichen Systemen.

Mit einem Geräuschpegel von nur 45 Dezibel ist diese Form der Kühlung zudem um 95 Prozent leiser als dieselbetriebene Kühlaggregate, weshalb sie auch in urbanen Gebieten und nachts eingesetzt werden kann. In Europa sind bereits ähnliche Systeme  in Umlauf, so Schafer. Doch keines – davon ist er überzeugt - sei so leistungsfähig wie das von Cryotrucks. Denn eine Schlüsselposition komme dem Stickstoff-Tank zu. Von Cryotrucks als Weltneuheit in Aluminium hergestellt, spare er bis zu 30 Prozent Gewicht im Vergleich zu bisher benutzten Stahltanks ein.

Trockeneis und Flüssig-Stickstoff

Schon länger mit Industriegasen zugange ist Carbagas, und zwar sowohl als Lieferant von 196 Grad kaltem Flüssig-Stickstoff für Kühltransporte, wie auch als Produzent von Trockeneis (mit minus 78 Grad) für den Online-Handel und Lebensmittel-Versand. Jürg Stalder ist Marktentwickler und weiss als Spezialist um den besonderen Umgang, aber auch die speziellen Vorteile von Stickstoff.

«Bei der Lastwagenkühlung mit flüssigem Stickstoff», bestätigt er, «entsteht kein Lärm und es werden auch keine Schadstoffe ausgestossen, wie das bei einer Kühlung mit einem Dieselaggregat der Fall wäre». Der Clou ist, dass auch das CO2 für´s Trockeneis nicht erst gesondert bereitgestellt werden muss. Stalder: «Es stammt als Abfall-Produkt aus industriellen Betrieben».

Wie so oft, ist auch beim Thema «Kühl-» und temperaturgeführte Transporte nicht eine ganz bestimmte Lösung die einzig «wahre» Alternative. Je nach vorhandener Infrastruktur und Ausgangslage dürfte – soweit funktionstüchtig und an die jeweiligen Verhältnisse angepasst – wohl jede dieser Möglichkeiten innerhalb der Logistikketten ihren Platz finden.

Ein sehr informatives Video zu einem emissionsfreien, temperaturgeführten City-Logistik-Lösungsansatz gibt es hier:

https://youtu.be/BkgdJuwuGMU

Weiterführende Informationen zu Themen rund um die temperaturgeführte Logistik sind auf der Website des Schweizerischen Verbands für temperaturgeführte Logistik SVTL zu finden.