Luca Penta, Betriebsleiter des Schweizer Internet-Versandhändlers Digitec Galaxus in Wohlen, hiess rund 45 Teilnehmende des «Unternehmerzvieri» willkommen. Endlich, war man versucht zu sagen. Wobei das «endlich» der Tatsache geschuldet war, dass die Führung durch das Digitec-Galaxus-Zentrallager bereits vor zwei Jahren hätte stattfinden sollen, dann aber wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden musste.
Im aargauischen Wohlen betreibt Digitec Galaxus sein Lager für die Belieferung der Filialen und der Pick-up-Points sowie für die direkte Kundenbelieferung. Das Digitec-Galaxus-Distributionszentrum in Wohlen besteht seit dem Jahr 2008 auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks Ferrowohlen.
Anfänglich mietete das im Jahr 2001 gegründete Unternehmen in Wohlen rund 1000 Quadratmeter Lagerfläche. Stand 2022 stehen dem Online-Händler am Standort Wohlen rund 55'000 Quadratmeter zur Verfügung – und ein Ende der Expansion und des Wachstums ist nicht abzusehen. Schliesslich baut das Unternehmen seine Lager- und Logistikflächen in Wohlen aktuell gerade auf dereinst 66‘000 Quadratmeter aus. Derzeit beschäftigt Digitec Galaxus in Wohlen rund 700 Mitarbeitende. In den Spitzenmonaten November und Dezember stossen dann jeweils nochmals 300 Temporär-Arbeitskräfte dazu. Weitere Logistik-Standorte von Digitec Galaxus befinden sich in Dintikon, Roggwil und Oftringen.
Wachstum ohne Ende
Luca Penta, Leader Warehouse Management bei Digitec Galaxus, merkte vor der «Unternehmerzvieri»-Besuchergruppe nicht ohne Stolz an, dass das Unternehmen seit Jahren kontinuierlich am Expandieren sei, und das namentlich auch in der Logistik: «Wir wachsen in Bezug auf die Lagerfläche und hinsichtlich der Lagerkapazitäten alle zwei Jahre um ein Fussballfeld.»
Das riesige Distributionszentrum von Digitec Galaxus in Wohlen weist einen bemerkenswerten Mix aus manuellen Logistiktätigkeiten und teil- bis vollautomatisierter Logistik auf. Während in den vorderen Hallentrakten vor allem manuelle Logistikaktivitäten (Umschlag, Palettenlager) erbracht werden, wächst der Anteil an Automatisierung je weiter man sich in die hinteren Bereiche begibt.
Luca Penta startete die sehr detailreich erklärte und verständlich gehaltene Führung durch das Zentrallager beim Wareneingang. Sein oberstes Ziel sei es, so Penta, «dass am Schluss alle Besucherinnen und Besucher verstehen, was alles passieren muss, damit ein Sendungsauftrag nach dem Wareneingang kommissioniert, verpackt und versendet werden kann. Wenn das der Fall ist, habe ich mein Ziel erreicht.»
Virtueller Einkäufer
120 Einkäuferinnen und Einkäufer am Hauptsitz in Zürich oder im Home-office sorgen bei Digitec Galaxus dafür, dass genügend Ware und die richtigen Güter zum Zentrallager geliefert werden. Gleichzeitig sind diese neben der Beschaffung auch für den Verkauf der Ware verantwortlich. Neben den Einkäuferinnen und Einkäufern aus Fleisch und Blut gibt es zusätzlich noch einen ganz besonderen Einkäufer. Penta: «Der 121. Einkäufer ist der so genannte ‘Auto-buy’, eine IT-Applikation, die aufgrund der Vorhersagen automatisch Produkte bestellt. Mittlerweile werden 80 Prozent der hier in Wohlen gelagerten Produkte voll automatisch durch den ‘Auto-buy’-Einkäufer bestellt». Mit anderen Worten: die Beschaffung läuft in acht von zehn Fällen automatisch ab.
Digitec Galaxus hat insgesamt rund 2000 Lieferanten. Pro Tag werden in Wohlen von Spediteuren und Kurieren circa 800 Paletten und bis zu 1000 Pakete angeliefert. Täglich finden in Normalzeiten zwischen 90'000 und 100'000 Stück den Weg ins Zentrallager, in Spitzenzeiten wie vor dem Black Friday oder vor Weihnachten steigt die Anzahl Stück beim Wareneingang auf über eine Million. Davon werden dann pro Tag bis zu 150'000 Stück verarbeitet und versandbereit gemacht. Digitec Galaxus hält in Wohlen rund 170'000 verschiedene Artikel vor, was rund 2,5 Millionen Stück an Lager bedeutet. Das Unternehmen vertreibt über seine beiden Online-Plattformen digitec.ch und galaxus.ch über vier Millionen verschiedene Artikel.
Maxi, Midi, Mini
Das Waren-Sortiment ist bei Digitec Galaxus in logistischer Hinsicht in drei Kategorien aufgeteilt: 1.) Maxi-Sortiment (Kühlschränke, Tischtennis-Tische, Sofas etc.); 2.) Midi-Sortiment (Staubsauger, Computer-Bildschirme etc.); 3.) Mini-Sortiment: iPhones, WC-Bürsten etc.). Klassische Schnelldreher, das heisst bei den Kunden beliebte Produkte, sind beispielsweise Windeln, Haarschneidegeräte, Druckerpatronen oder iPhones. Penta: «Jene Produkte, die sehr oft verkauft werden, wickeln wir bei uns in der Logistik im vollautomatischen Bereich ab. Diejenigen Produkte, die nicht so schnell drehen, bearbeiten wir im manuellen Bereich (Pick-Tower). Unser IT-System unterscheidet zwischen Schnell- und Langsam-Drehern aufgrund unserer Stammdaten.»
Beim Wareneingang nehmen die Mitarbeitenden bei Ankunft der Ware eine erste physische Triage vor (Maxi, Midi oder Mini) und erfassen die Lade-Einheit im IT-System. Penta: «So haben wir die Sendungsnummer mit der entsprechenden Anzahl an Lade-Einheiten abgeglichen und können so von nun an die Sendung bis zum Versand steuern.» Im Zentrallager werden die Bestände pro Jahr rund zwölf Mal umgeschlagen. Heruntergebrochen auf eine einzelne Sendung bedeutet das, dass im Durchschnitt ein Artikel rund 30 Tage an Lager gehalten wird.
Nach einer kurzen Qualitätskontrolle und der Einbuchung der Ware ins Lagerverwaltungs-System schicken die Mitarbeitenden die Sendungen auf die Förderanlage, die die Sendungen entweder zum Pick-Tower, wo manuell kommissioniert wird, oder dann ins Shuttle-Lager, wo die Produkte automatisch ein- oder ausgelagert werden.
Weil der E-Commerce nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie scheinbar endlos boomt, sieht sich Digitec Galaxus ständig gezwungen, seine Lagerinfrastruktur der stetig steigenden Nachfrage anzupassen. Und so erstaunt es nicht, dass das Maxi-Sortiment in Wohlen schon bald an andere Standorte ausgelagert wird, um mehr Platz und Kapazitäten für mittel- und kleinteilige Güter zu schaffen. Penta erklärte dem «Unternehmerzvieri»-Besucher-Tross», auf was es im Online-Handel ankommt: «Im E-Commerce ist die Warenverfügbarkeit zentral. Es gewinnt nicht derjenige Anbieter, der die tiefsten Preise für ein Produkt verlangt, sondern derjenige Online-Händler, bei dem die Ware auch tatsächlich verfügbar ist.»
Intralogistik von Vanderlande
Der Schweizer Internet-Versandhändler Digitec Galaxus betreibt zwei Online-Shops: Digitec bietet hauptsächlich Elektronik an, während das Online-Warenhaus Galaxus eine breitere Produkt-Palette anbietet, von Spielzeug über Kleidung bis hin zu Tier-Nahrung. Neben dem Online-Einzelhandel betreibt Digitec Galaxus zehn Shops, die hauptsächlich als Abholpunkte für Kunden dienen.
Weite Teile der Intralogistik im Zentrallager in Wohlen stammen vom Intralogistik-Generalunternehmer Vanderlande. Schlanke Prozesse, maximale Flexibilität und optimale Raumnutzung sind die massgeblichen Bedingungen für das Intralogistik-Konzept: Ein Pick-Tower, ein automatisches Kleinteil- und Mittelgrossteil-Lager, Ware-zur-Person-Kommissionierung und Konsolidierung bilden das Herzstück des Automatisierungskonzepts.
Automatisches Kleinteile-Lager
In einem über 5000 Quadratmeter grossen Neubau wurde ein 16-gassiges und 18 Meter hohes automatisches Kleinteile-Lager (AKL) für mittelgrosse Artikel realisiert, welches gleichzeitig auch eine Konsolidier-Funktion für bereits im Pick-Tower gepickte Artikel übernimmt. Hier ist Platz für mehr als 107'000 Tablare der Grösse 600 × 800 Millimeter mit Kleinteilen (Midi-Artikel) in einfachtiefer Lagerung und/oder Behälter der Grösse 600 × 400 Millimeter in doppeltiefer Lagerung.
Das automatische Kleinteile-Lager versorgt die Mitarbeitenden mit den mittelgrossen Artikeln des Digitec-Galaxus-Sortiments. Eine hohe Mitarbeitende-Produktivität, fehlerfreies Arbeiten und Ergonomie liegen dabei dem Design der Arbeitsplätze zugrunde. Die Arbeitsstationen sind in der Lage, sowohl die grossen Tablare als auch die Behälter mit den Mini-Artikeln zu handhaben. So können alle Artikel eines Kunden- oder Filialauftrags an einem Arbeitsplatz zusammengeführt werden. Jeder Arbeitsplatz ist mit einem Turmspeicher ausgestattet, der die Behälter und Tablare in der richtigen Auftragssequenz dem Mitarbeitenden andient.
Pick-Tower für Kleinteile
Eine bestehende Halle wurde durch eine Bühnenkonstruktion aus Holz (aus brandtechnischen Gründen!) zu einem massiven dreistöckigen Pick-Tower mit 70'000 Laufmetern an Regalen ausgebaut. Durch entsprechende Baumassnahmen gibt es auf allen Ebenen des Pick-Towers Tageslicht, und die Holzkonstruktion sorgt für eine freundliche und geräuscharme Arbeits-Atmosphäre. Im Pick-Tower kommissionieren die Mitarbeitenden überwiegend Kleinteile wie Armbanduhren, aber auch Flüssigkeiten und sogar Lebensmittel aus den Fachbodenregalen. Penta: «Im Pick-Tower wird chaotisch eingelagert, es gibt insofern kein Einlagerungs-Prinzip nach Produkt.»
Die kommissionierten Behälter werden an so genannten «Bahnhöfen» auf die Fördertechnik aufgegeben. Von dort gelangen sie entweder gleich zu den Kollegen in der Verpackungsabteilung oder zunächst in den Konsolidierungspuffer. Von diesem Konsolidierungspuffer fahren sie dann gemeinsam mit weiteren kommissionierten Behältern an einen der Ware-zur-Person-Arbeitsplätze. Eine Technik-Ebene ver- und entsorgt die Behälter in den einzelnen Bahnhöfen eigens über Lifte, die sämtliche drei Kommissionier-Ebenen verbindet.
35'000 bis 50'000 Aufträge am Tag
Insgesamt werden an einem normalen Montag in Wohlen im Durchschnitt rund 55'000 Aufträge bearbeitet. Montags werden jeweils die höchsten Auftragseingänge registriert, da die Konsumenten üblicherweise vor allem übers Wochenende online bestellen. Gegen Ende einer Arbeitswoche sinken dann die Auftragseingänge auf circa 35'000 Stück. Beim Warenausgang werden die bestellten Produkte nach der Kommissionierung konsolidiert, verpackt und versandbereit gemacht.
Im Leitstand von Digitec Galaxus in Wohlen. Von hier aus wird u.a. die Auftragsentwicklung und die ganze Intralogistik-Anlage gesteuert.